Die Kropftauben aus Schlesien!

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Als Bekenntnisschlesier mit schlesischen Wurzeln und aktiver Rassentaubenzüchter möchte ich Ihnen diesen Zweig schlesischer Kultur etwas näherbringen. Schlesien war ein vielfältiges Land mit einsamen Waldlandschaften, Gebirge, kleinen und großen Dörfern im Umland der Kreisstädte.
Man fand Industrie, Gewerbe und Handel in einem gesunden Verhältnis zueinander. Den Motor des Landes bildete aber auch auf breiter Ebene eine in Jahrhunderten gewachsene bäuerliche Kulturlandschaft.
Ich glaube die vertriebenen schlesischen Bauern der Nachkriegsjahre wanderten voller Wehmut und Sehnsucht in Ihrer versunkenen Welt und träumten manche Nacht von erntereifen Weizenfeldern im Sommer und hochgeladenen Rübenkarren im Herbst.
Auf diesen kleinen und großen Bauernhöfen sowie auch auf den großen Gutsbetrieben war eine Taubenhaltung seit alter Zeit traditionell verankert, und genau von diesen schlesischen Kröpfern, die einst in Schlesien von Bauern, Gutsbesitzern und Handwerkern erzüchtet und geliebt wurden möchte ich nun berichten.
Vorwort 
Bereits Robert Oettel, Gründer unserer organisierten Rassengeflügelzucht, und sein Schwiegersohn August Kienitz waren durch die Freundschaft zu Alfred Fechner, dem späteren Vereinsgründer und Schriftführer der Züchtervereinigung, aber auch durch viele Züchterbesuche in der Region Görlitz, Guhrau, Schweidnitz, Breslau, Reichenbach bis nach Gleiwitz und Beuthen über den Strand der Schlesischen Kröpferzucht informiert und immer interessiert. Allerdings macht man in gehobenen Kreisen kein großes Aufsehen um diesen Bauerkröpfer, der zwar überall bekannt und beliebt war, aber mit jenen überaus eleganten Kropftauben aus England und Frankreich nicht mithalten konnte. Über Jahrzehnte wurde Görlitz auch nach dem Ableben von Oettel, ein wichtiger Ausstellungs- und Informationsort der Schlesischen Kröpferzucht. Dies geht ja auch aus der Gründungsgeschichte der ZV hervor.
Jahre später war es Dr. Trübenbach, Preisrichter und Kenner von Kropftauben, der sich besonders für die Schlesier stark machte und neue Akzente setzte. Seine Leistungen und Bemühungen wurden durch die Ernennung zum Ehrenmitglied der 1913 gegründeten Züchtergemeinschaft gewürdigt.
Nach 1920 zeigte überregional reichende Werbung durch Rasseberichte und Vereinsmitteilungen in den Fachzeitschriften durch A. Fechner, Dr. L. Friese und nach 1945 von den Zuchtfreunden Weinhardt, Hanitzsch, Hilger, Gerhard und vieler hier ungenannter Züchterpersönlichkeiten große Wirkung. Die Schlesischen Kröpfer wurden in allen Rassen und Farbanschlägen in die Öffentlichkeit getragen, beachtet und anerkannt. Umso erstaunlicher, dass bisher noch keine zusammenfassende Abhandlung veröffentlicht wurde.
Nachstehende Rassenvorstellung soll in Aufklärung und Mitteilung über den Schlesischen Kröpfer in erster Linie den weniger erfahrenen Züchtern und neuen Liebhabern dienen. Die Formvermischungen zu anderen Kröpferrassen müssen erkannt werden und auch bei älteren Züchtern zu neuen Aktivitäten und Erkenntnissen führen.
Auch nach mehr als 50 Jahren aktiver Züchter- und Verbandsarbeit konnte ich die hier angesprochenen Themen mit Sicherheit nicht lückenlos, vollständig und endgültig erläutern. Dazu ist die Problematik der Schlesischen Kröpferzucht viel zu umfangreich.
Dem Verlag Ortel+ Spörer danke ich für die Möglichkeit, den Schlesischen Kröpfer in der Schriftenreihe für die Taubenzucht vorstellen zu können. So hoffe ich, dass diese Abhandlung die gewünschte Aufnahme bei vielen Züchtern findet und dem Schlesischen Kröpfer als edler Rassetaube weitere Beachtung zuteilwird.
Herkunft und Verbreitung
Seit hunderten von Jahren sind Kropftauben in ihrer ständig zunehmenden Rassezahl bekannt und wurden vielfach beschrieben. Besonders in den letzten 60 Jahren sind wissenswerte Abhandlungen über Herkunft, Entwicklung und Verbreitung der Kropftauben von anerkannten Autoren und erfolgreichen Züchtern veröffentlicht worden. Nutzbringende Erkenntnisse und Hinweise für den aktiven Kröpferzüchter der jetzigen Generation können in den Fachbüchern von E. Zurth, K. Lockenvitz und H. Marks und den sehr informativen Werken „Die Welt der Rassetauben“ sowie „Alles über Rassetauben“ von E. Müller nachgelesen werden. Auch in diesen doch so aussagekräftigen Fachbüchern kann aber keine absolute Klarheit über die Herkunft der Rasse gegeben werden.
Vor dem 20. Jahrhundert wurde nur recht spärlich und vor allem vermutend auf den Schlesischen Kröpfer und seine Existenz eingegangen. Auch Prütz erwähnt 1876 zwar unseren altbekannten „Elsterkröpfer“, geht aber nicht weiter auf Schlesische Kropftauben ein, obwohl der Elster den gleichen Ursprung wie der Schlesier hat. Bereist 1869 berichtete Neumeister von Plätscher Kropftauben, wobei es sich sicherlich um Steller oder Steiger handelte. Das „Prachtwerk sämtlicher Taubenrassen“ von Schachtzabel aus dem Jahr 1909 wurde besonders im Bildmaterial und durch seine bisher einmalige Abbildung als Grundlage der ersten provisorischen Musterbeschreibung Schlesischer Kropftauben ein Jahr nach der Vereinsgründung der Züchtervereinigung von 1913 herangezogen. Die Herkunft der Schlesischen Kroptauben ist mit Sicherheit auf das Gebiet Böhmen und Mähren zu beschränken und der Ursprung der Rasse glattfüßigen mittelgroßen Deutschen Kröpfer zuzuschreiben. Auch sollte man sich hüten, die Erzüchtung der einzelnen Schlesierrassen nur unserer Nation anzudichten. In mehr als 500 Jahren der uns bekannten Kropftaubenexistenz sind die wechselnden Gebietsansprüche verschiedener Nationen – dies betraf vornehmlich das Terrain Böhmen/ Mähren/ Schlesien – geschichtlich benannt. So waren mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur die Deutschen, sondern auch Züchter aus Österreich, Tschechien und Polen an ihrem Erhalt und der Weiterverbreitung beteiligt.-
Unbestritten ist, dass die Schlesischen Züchter Rohlinge aufgenommen haben und durch Züchterfleiß, Geduld und große Opfer feinste Rassetauben und sehr viele schöne Farbenschläge erzüchtet und geformt haben. Dies bestätigte auch E. Zurth in der Buchreihe „Unsere Tauben – Kropftauben“. In der Geschichte der Weißplatten konnte er mitteilen, Lehrer Jäger aus Eulau in Böhmen sagte 1908, dass dieser Kröpfer, gemeint waren Weißplatten, seit ungefähr 150 Jahren in Mähren heimisch sei und zwischen 1830 und 1840 nach Schlesien gebracht wurde. Viel – aber doch wenig aussagend – wurde über die Herkunft der Schlesischen Kröpfer geschrieben und verbreitet. Die richtigen und auch glaubhaften Worte von Hanitzsch (1961) brachte Marks 1985 in einer sicher zutreffenden Schilderung über die Herkunft der Rasse zu Papier. „Die Schlesischen Kröpfer gehören zu einer sehr alten, in mehreren Unterarten und Arten vorkommenden Kröpferform. Die alte, mittelgroße deutsche Kropftaube ist deren direkter Vorfahre. Ihr Verbreitungsgebiet war Mitteleuropa, wo vor allem die Landbevölkerung diese Taube hielt. Sie waren etwas grob, massig in ihrem Äußeren mit verschiedenen Kropfformen, glattköpfig, behaubt, stets glattfüßig, vital, fruchtbar und fluggewandt. Eigen war ihnen jedoch ein reichhaltiges Farb- und Zeichnungsspiel. Durch Verschiedenheit in einzelnen Zuchtgebieten ergaben sich nach und nach wesentliche Unterschiede von anderen Rassen, die durch Geschmack und Phantasie der damaligen Züchter beeinflusst, zu Neuem entwickelt worden sind.“
Hier kann man Hanitzsch nur anerkennend beipflichten. Wie heute allgemein bekannt, bildeten sich für die einzelnen Schlesischen Kröpferrassen Zuchtzentren. So hatte der Schalaster in der Gegend von Rubnik, Pleß, Leoschütz und Katschern seine größte Verbreitung. Nicht weit weg waren im oberschlesischen Industriegebiet die Starwitzer zu Hause. Die Weißplatten hatten um Breslau ihre größte Verbreitung, waren aber auch bis an das Katzengebirge in Trebnitz, Guhrau und nach dem Ersten Weltkrieg in Westdeutschland anzutreffen. Die Einfarbigen und Schimmel fanden um Langenbielau und in den Dörfern am Rande des Eulengebirges besonders viele Liebhaber, und man sprach nach Fechner oft von Schlesiertälern. Nicht unerwähnt sollen aber auch die Steiger- und Elsterkröpfer bleiben.
August Wiesner, Schweidnitz, später wohnhaft in Witten an der Ruhr, ein hervorragender Kenner und Preisrichter der Schlesischen Kropftauben seit 1920, verkündete anlässlich der 50. Nationalen in Dortmund 1968 auf Nachfrage stolz, Steiger und Elstern gab´s bei uns in Schlesien in jedem größeren Dorf, Junge! Und so wird es wohl gewesen sein!
Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatte es aber laut Lesch den Anschein, dass die heimischen Kröpferzucht rückläufig ist oder vernachlässigt wurde. Die eingeführten hochstehenden und eleganten Englischen und Französischen Kröpfer waren begehrt und wurden sehr beachtet. Sie brachten aber auch die heimische Kröpfergilde in Unruhe. Besorgnis um den Erhalt der alten Rasse machte sich über weite Teile ihrer Verbreitungsgebiete bemerkbar und führte zu neuem Leben und zur Gründung vieler Züchtervereinigungen der deutschen Kröpfer – wie bekannt aus den Reihen der Schlesischen Kröpfer: die Steigerkröpfer im Jahr 1906, denen nur ein Jahr später die Elsterkröpfer folgten sowie für die gesamten heimischen Kröpferrassen (nachfolgend beschrieben) 1913.
Besonders nach dem Ersten Weltkrieg fanden die Schlesischen Kröpferrassen eine zuvor nie geahnte starke Verbreitung und wurden mehr und mehr in fast allen Teilen Deutschlands bekannt. Sie waren als sehr fruchtbare und vitale Rassetauben begehrt. Die ständig zunehmende Zahl von Rasseveröffentlichungen in den Fachzeitschriften und wesentliche Verbesserungen markanter Rasenmerkmale führten zu großer Beliebtheit als Ausstellungstaube.
Die erste Musterbeschreibung wies allerdings nach wenigen Jahren deutliche Unklarheiten auf. Dies betrafen im Wesentlichen das Blaswerk und die Schenkelfreiheit. Selbst Lesch veröffentlichte 1926 noch die alte Musterbeschreibung, in der ja das Blaswerk flaschen- oder walzenförmig zitiert wird. Die idealisierten Darstellungen zeigen aber bereits eine deutliche Taillenbildung. Auch die bisherige Auslegung der Schenkel: „gut abgedeckt“, entsprach nicht mehr der Zielsetzung einer aufrecht- stehenden Taube. 1930 wurde durch den ZV- Vorsitzenden Dr. Friese eine der Zuchtentwicklung entsprechende neue Musterbeschreibung beim Bund eingereicht. Diese wurde zwei Jahre später anerkannt und ist bis auf geringe Abänderungen noch heute Leitfaden aller Züchtertätigkeiten für den Schlesischen Kröpfer. Trotz aller Schwierigkeiten nach 1933, hierüber berichtete Paul Doll in „100 Jahre BDRG“ sehr ausführlich, verbreitete sich der Schlesische Kröpfer über fast alle Landesteile in Deutschland und wurde von Jahr zu Jahr beliebter. Viele schlesische Züchter beschickten unter heute nicht mehr vorzustellenden finanziellen Opfern Bundes- Siegerschauen, ja selbst bis nach Essen, und warben für die Rasse.
Außerhalb Schlesiens bildeten sich Zuchtzentren mit großer Werbewirksamkeit durch überaus aktive Züchterpersönlichkeiten. Sie waren es, die nach 1945, dem Verlust von Schlesien und damit fast aller Zuchten, den Aufbau einleiteten. In allen Zonen des aufgeteilten Deutschlands fanden Flüchtlinge und Heimatvertriebene ein neues Zuhause. So wie Erich Tulke aus Osterode immer sagte, die Heimat haben wir für immer verloren, aber unsren Schlesischen Kröpfer kann uns niemand nehmen! Das große Leid vieler Menschen wurde zum großen Glück für die Rasse der Schlesier. Nicht nur die alten Züchter, sondern mehr und mehr heimische Taubenliebhaber fanden Gefallen an den Schlesischen Schönheiten.
In nur wenigen Jahren hatte der Schlesier überall in Deutschland gefestigte Zuchten, wurde rassisch verbessert und zu einer gern gezüchteten und sehr beliebten Rassetaube geformt. Jahre nach dem Niedergang des dritten Reiches haben die Schlesischen Kröpfer nicht nur in Deutschland eine neue Heimat gefunden. Ihre Beliebtheit und große Verbreitung bekunden viele Rassegeflügelschauen mit zahlreicher Beschickung insbesondere aber die wichtigsten Sonderschauen mit oft mehr als 1000 Tieren. Was würde wohl Dr. Lothar Friese zur Entwicklung seiner so sehr geliebten Kröpfer sagen? Noch 1938 schrieb er in der Geflügel- Börse aus Besorgnis um die Rassen: „Aber der letzte Kraftquell liegt noch anderswo. Im schlesischen Heimatboden. Ein Loslösen unserer Kröpfer vom Schlesierland würde ihren allmählichen Untergang zur Folge haben!“
Hier irrte Dr. Friese. Zum Glück hatte er die Kraft und den unbändigen Erhaltungswillen der Rasse unterschätzt. Die Anpassungsfähigkeit der Rasse aber auch die der alten Züchter, haben zu einer nicht erwarteten Verbreitung geführt. Und so fliegen sie heute wieder überall im deutschen Vaterland. Schlesische Kropftauben werden aber überwiegend in Volieren gepflegt, gezüchtet und für nachfolgende Generationen erhalten.
Andreas Klose

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