Kleiner polnischer Verein weckt deutschen Friedhof aus dem Dornröschenschlaf

Pfaffendorf / Kreis Liegnitz entsprach territorial in etwa der heutigen Vorstadt von Legnica. Von dem ehemaligen Dorf, welches teilweise schon im 19. Jahrhundert in die Stadt eingegliedert wurde, sind noch die Häuser und der Friedhof erhalten. Manche der Gebäude sind in einem relativ guten Zustand. Das Schicksal des Friedhofes - ein sehr bedrückendes - ähnelte dem Schicksal anderer seiner Art in ganz Niederschlesien.

1923 informierte der Landrat des Kreises Liegnitz das niederschlesische Konsistorium, dass man sich in Anlehnung an die Anordnung des Regierungsbezirkspräsidenten vom 15.02.1908 für die Gründung eines städtischen Friedhofes entschieden hatte, welcher zukünftig im Besitz der Dorfgemeinde Pfaffendorf sein würde.

Auf diesem Friedhof sollten die Einwohner evangelischen Bekenntnisses begraben werden, die der Liebfrauenkirchgemeinde Liegnitz angehörten sowie die der katholischen Johanneskirche daselbst. Das Grundstück unterstand dem Verwalter Schiller, der sein Amt bis 1951 ausübte (das Jahr ist leider durch kein Dokument belegt). Die offizielle Schließung des Friedhofes fand am 30.11.1965 laut Beschluss des Gromada Volksrates in Rzeszotary statt. Er existierte also 42 Jahre, wobei hier tatsächlich nur über 28 Jahren lang Menschen begraben wurden. Doch wurde der Friedhof ein Geschichtszeugnis, wie keine der älteren Nekropolen es vorweisen kann. Und dies infolge der Tatsache, dass das Ende des 2. Weltkrieges als eine der Konsequenzen die Änderung des Verlaufes europäischer Grenzen mit sich brachte: So ging das deutsche Niederschlesien in polnisches Gebiet über. Millionen Deutsche mussten ihre Wohnorte verlassen, in denen sie ihre Häuser, Haushalte oder Werkstätten hatten, und ebenso Kirchen und Friedhöfe. Die neuen Eigentümer waren meist Polen aus dem Osten, die man ebenfalls gezwungen hatte, ihre Wohnorte zu verlassen. Sie wurden nun in den ihnen von der Verwaltung zugewiesenen Ortschaften ansässig. Dies geschah auch in Pfaffendorf, das nach dem Krieg den polnischen Namen Piątnica erhielt.

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Den neuen Bewohnern gelang es, sich in den verlassenen Häusern einzuleben, doch den Friedhof akzeptierten sie nicht. Die letzte dort begrabene Person war eine Autochthone, eine Deutsche, die aus unbekanntem Grund trotz Ausweisung in ihrem Hause verblieben war. Laut Berichten der polnischen Einwohner starb sie im Jahr 1950 oder 1951. Ihr Name war Anna Winkler. Die alleinstehende ältere Frau wurde von den polnischen Nachbarn mit Lebensmitteln versorgt, man mochte sie und sie war willkommen. Die neue Dorfgemeinschaft erhielt sie deshalb in Erinnerung. Sie wurde auch auf dem Weg zur letzten Ruhestätte würdig begleitet.

Die „Politik des Vergessens“ in Bezug auf die deutsche Geschichte Niederschlesiens wurde zentral gesteuert. Bis 1972, bevor die Grenzen für den neuen Deutschen Staat DDR geöffnet wurden, waren die Anweisungen eindeutig: Die deutschen Friedhöfe waren ein Problem. In der polnischen Kultur werden die letzten Ruhestätten mit großer Achtung behandelt. Es hatte sich aber in den Nachkriegsjahren schnell herausgestellt, dass dies nur für polnische Friedhöfe demonstriert wird. Die deutschen Friedhöfe gerieten in Vergessenheit und verfielen. Die Gräber wurden geschändet, es wurde nach Wertvollem gegraben.

Ähnlich erging es auch dem Friedhof in Piątnica. Viele Grabsteine verschwanden, die Marblitplatten wurden zerstört, die Kreuze aus Gusseisen gestohlen. Dennoch ist der architektonische Entwurf des Platzes erhalten geblieben, obwohl das unkontrolliert wuchernde Grüne die Fragmente der Gräber verdeckte.

Der Friedhof in Piątnica wurde um das Jahr 2016 von Marek Rabski - einem Historiker, Hochschullehrer und Tourismusaktivisten - wiederentdeckt. Er hatte sich als Ziel gesetzt, diesen Ort wieder ans Tageslicht der Erinnerung zu bringen. Die informelle Gruppe „In Memoriam Liegnitz” setzte seine Bemühungen fort, danach kümmerte sich seit Januar 2020 der Verein TILIAE um den Friedhof, diese Bemühung dauert bis heute an.

Der Verein TILIAE wurde offiziell am 10.07.2020 gegründet, doch die Arbeiten auf dem Friedhof wurden bereits fortgesetzt, als dies noch eine lose Gruppierung war. Das Fundament des Vereins bilden vier Frauen, die sich mit den vier Linden identifizieren, die in den vier Ecken des Friedhofs wachsen. Ziel der restaurativen Arbeiten ist einerseits das Schützen des Friedhofs vor weiterer Vernichtung, andererseits das Wiederherstellen der Erinnerung an die Vorkriegsgeschichte des Ortes. Die Arbeiten auf dem Friedhof beruhten anfangs auf der Regulierung des Grünen, das integraler Bestandteil der deutschen Friedhöfe ist: Es muss aber regelmäßig gepflegt werden.

Anhand eines Lageplans lässt sich erkennen, wie der Raum geplant wurde: Der Hauptweg spaltet das Areal in zwei gleiche Teile. Die Bäume spenden gleichmäßigen Schatten und deshalb ist es hier sogar an heißen Tagen angenehm. Die heutigen Bewohner erinnern auch an Thujen (Lebensbäume), die entlang der großen Allee gepflanzt wurden, doch leider sind sie spurlos verschwunden. Es wäre von Vorteil, wenn man darüber Dokumente - beispielsweise Fotos - finden könnte.

Nachdem die verwilderten Flieder- und Ligusterbüsche beschnitten wurden, musste das mit großem Wurzelsystem wuchernde Gras entfernt werden. Im Endeffekt sollte der Platz für das Aussäen des neuen Grases vorbereitet werden. Bei dieser Arbeit gab es unverhoffte Entdeckungen. Man fand Marblitfragmente und Teile von Porzellantafeln und Kreuzen sowie vollständige Kreuze aus Gusseisen. Selbstverständlich wurde nur wenig Intaktes vorgefunden, doch auch unvollständige Fundstücke bereiten Entdeckerfreude, weil sie viel über die Begräbniskultur der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts aussagen.

Der nächste Schritt bestand darin, die noch erhaltenen Grabsteine zu reparieren. Die Mehrheit der vertikalen Elemente wurde bei der Verwüstung von den Sockeln hinuntergestoßen. Jetzt mussten die Sockel in die Waagerechte gebracht und danach die Platten darauf befestigt werden. Bei einzelnen Grabsteinen ist das nicht so kompliziert, doch es wurden auch einige Erbbegräbnisse gefunden, zu deren Reparatur wegen des Gewichtes ein Bagger zuhilfe genommen werden musste.

Die Renovierung der aufgefundenen Steine und Gusseisenelemente ist besonders wichtig. Es ist wohl möglich, Marblit- oder Porzellanelemente zusammenzufügen, falls es gelang, wesentliche Fragmente der Platten zu finden. Es wird jedoch nicht möglich sein, sie an ihre ehemaligen Plätze zu stellen, da die Fragmente über das ganze Gelände verstreut wurden. Vielleicht kann man sie in Zukunft in einer Art Lapidarium oder wie eine Ausstellung zeigen. Wenn Fotos existieren, anhand deren man erkennen könnte, wie der Friedhof ursprünglich aussah und wo die einzelnen Grabsteine standen, könnte man die Fundstücke zumindest teilweise zuordnen.

Das erste Jahr des Friedhofschutzes wurde mit dem Kennzeichnen des Zufahrtswegs abgeschlossen. Dank dessen kann er schneller und einfacher gefunden werden. (Er liegt tief im Hinterhof zweier Privatgelände und ist nicht so leicht einsehbar.) Nun wird der Friedhof nicht nur ein Ausflugsziel der Stadtbewohner, sondern auch für die Geschichtsliebhaber ganz Legnicas.

Parallel zu den Aufräumarbeiten auf dem Friedhof wurde die Recherche in den Archiven fortgesetzt, um an die ehemaligen Bewohner Pfaffendorfs erinnern zu können. Dank dieser Recherchen werden Artikel verfasst, die u.a. über Familienbeziehungen, verbreitete Berufe oder interessante Plätze erzählen. Jede Erinnerung an die Jahre, die über den historischen Austausch der lokalen Gemeinschaft hinausgeht, ist sehr wertvoll. Jene Leser, die über Dokumente, Fotos oder Erinnerungen verfügen und diese mit uns teilen möchten, werden gebeten via Email (stowarzyszenie.tiliae@gmail.com) mit dem Verein TILIAE in Kontakt zu treten.                                                                                                        
 
Hanna Szurczak

 

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