Das Jahr 1866 und Landeshut

„Eben hatte ich mein ärztliches Studium beendet, als der Krieg … ausbrach. Da berief mich Graf Eberhard zu Stolberg auf Schloß Kreppelhof, der als Hochmeister des Johanniterordens einen Teil der freiwilligen Krankenpflege leitete, nach Landeshut. Blutigrot ging die Sonne hinter den Kämmen des Riesengebirges zur Rüste, als ich am Abende des 3. Juli dort eintraf. An dem von altertümlichen Lauben eingeschlossenen Markte fand ich ein freundliches, freilich auch unruhiges Unterkommen. Fieberhafte Unruhe herrschte in allen Straßen und Gassen. Eine Schlacht war geschlagen, eine große, gewaltige Schlacht auf Böhmens Fluren in weiter Ferne. Das wußte man in der Stadt, denn von frühmorgens bis in den Nachmittag hinein war das dumpfe Rollen des fernen Kanonendonners nicht verstummt. Erst am Abende wurde es still. Doch Bangen und Hoffen hielt die Landeshuter in dieser Nacht wach. Was hatten sie doch alles in den letzten Wochen erlebt!“
Soweit die Schilderungen eines unbekannten Mediziners, die uns der Stabsarzt Dr. Biefel überliefert hat und die weiteren Kreisen durch E. Kunick in seinem Heimatbuch „Bilder aus dem Kreise Landeshut“ bekanntgemacht worden sind.
Die Vorgeschichte der selbst in Landeshut noch hörbaren Schlacht von Königsgrätz, die entscheidend den Ausgang des Krieges beeinflußte, den man sich angewöhnt hat, den preußisch-österreichischen zu nennen, der aber korrekterweise als Preußisch-Italienischer Krieg gegen den Deutschen Bund bezeichnet werden müßte, ist schnell erzählt.
Bismarck, seit 1862 preußischer Ministerpräsident, strebte eine Vormachtstellung Preußens im Deutschen Bund an. Österreich stand ihm dabei im Wege. Bereits am 8. April 1866 hatte deshalb Preußen ein geheimes Offensivbündnis mit Italien geschlossen. Darin verpflichtete sich Italien, im Falle eines Krieges zwischen Preußen und Österreich an der Seite Preußens zu kämpfen. Ein solcher Krieg war eigentlich nach Bundesrecht nicht erlaubt, denn die Bundesverfassung untersagte es, interne Streitigkeiten mit Gewalt auszutragen.
Bereits einen Tag nach dem Abschluß des Geheimabkommens verlangte Preußen  öffentlichkeitswirksam eine Reform des Bundestages in Frankfurt. Aus dem Gesandtentag sollte ein aus Wahlen hervorgehendes Parlament werden. Damit wollte sich Preußen der Sympathien der Liberalen versichern. Der preußische Vorschlag fand erwartungsgemäß keine Mehrheit und wurde, um Preußen nicht völlig zu isolieren, an einen Ausschuß überwiesen.
Hintergrund der preußischen Obstruktionspolitik bildete dabei die Schleswig-Holstein-Frage. Nach dem Siege über Dänemark 1864 hatte Preußen im Auftrage des Deutschen Bundes die Verwaltung von Schleswig und Österreich die von Holstein übernommen. Diesen Kompromiß empfand Preußen mehr und mehr als störend, ein österreichisches Truppenkontingent in Holstein als Pfahl im Fleische seines natürlichen Einflußgebietes.
Im Juni 1866 überschlugen sich dann die Ereignisse. Die preußische Armee besetzte am 4. Juni Holstein. Das österreichische Truppenkontingent zog sich mehr oder weniger kampflos nach Hannover zurück. Diesen militärischen Vorstoß begleitete eine weitere diplomatische Offensive in Frankfurt. Am 10. Juni verlangte der preußische Gesandte beim Bundestag den Ausschluß Österreichs aus dem Deutschen Bunde sowie erneut ein deutsches Zentralparlament.
Diesen Verstoß gegen die Bundesverfassung beantwortete der Bundestag auf Antrag Österreichs vom 11. Juni mit einer Bundesexekution gegen Preußen. Dieser Antrag wurde schließlich mit einem von Bayern eingebrachten Zusatz, der nur die Mobilisierung von nichtösterreichischen Truppen vorsah, am 14. Juni beschlossen.
Erster wichtiger Kriegsschauplatz war das thüringische Städtchen Langensalza. Dort traf die hannöversche Armee unter dem blinden König Georg bei ihrem Versuch, sich nach Süden durchzuschlagen, um sich dort mit den bayrischen Truppen zu vereinen, auf preußische Verbände. Am 27. Juni konnten daselbst die hannöverschen Truppen einen glänzenden Sieg über die preußischen Truppen erringen. Allerdings war das hannöversche Heer danach so geschwächt, daß es keine weitere militärische Auseinandersetzung mehr riskieren konnte. So war der Siegestag Hannovers zugleich sein Todestag. Am 29. Juni unterzeichnete General von Arentsschildt im Namen König Georgs die Kapitulationsurkunde.
In der Zwischenzeit hatte sich das Kriegsgeschehen bereits nach Böhmen verlagert. Da, von Sachsen abgesehen, die anderen Bundesstaaten signalisierten, ihr Truppenkontingent entgegen dem Bundestagsbeschluß ausschließlich zur Verteidigung des eigenen Territoriums zu verwenden, erließ Kaiser Franz-Joseph bereits am 17. Juni sein berühmtes Kriegsmanifest. Fortan trafen nun vor allem preußische und österreichische Verbände aufeinander.
Für Landeshut hatte die Verlagerung der Kampfhandlungen seiner strategischen Lage wegen  beträchtliche Auswirkungen. Schon ab 20. Mai wurden unter General Steinmetz, der sich bald darauf als „Löwe von Nachod“ einen Namen machen sollte, auf den Feldern zwischen Landeshut und Reichshennersdorf Truppen aufgestellt. Am 22. Juni rückten diese nach Böhmen ein. Ihnen folgte das vornehmlich aus Ostpreußen bestehende Korps unter General Bonin, das von Landeshut aus nach Trautenau marschierte, dort aber von den aus Österreichern und Sachsen bestehenden Bundestruppen zurückgeworfen werden konnte und in der Nacht vom 27. zum 28. Juni durch die Straßen Landeshuts zurückflutete. Das Herannahen weiterer preußischer Verbände verhinderte die Einnahme Landeshuts durch die Bundestruppen. Am 3. Juli schließlich erlitten diese in der eingangs erwähnten Schlacht bei Königsgrätz eine vernichtende Niederlage, die nun die Friedensverhandlungen einleitete, die am 26. Juli zum Präliminarfrieden von Nikolsburg führten und schließlich am 23. August in Prag ihren Abschluß fanden. Damit hatte Preußen seine Vormachtstellung endgültig durchgesetzt. Der Deutsche Bund war zerbrochen. Das Recht hatte den Kampf gegen die Macht verloren.
In jenen Frühsommertagen nun diente Landeshut als eine Art Erstaufnahmestation für die Kriegsversehrten beider Seiten. Graf Eberhard zu Stolberg-Wernigerode, seit 1854 Majoratsherr auf Kreppelhof und seit 1862 Präsident des Preußischen Herrenhauses, hatte deshalb Schloß Kreppelhof und das Mariannenstift als Lazarette zur Verfügung gestellt. Weitere Verwundete waren im Realgymnasium, den beiden Volksschulen und dem Schützenhaus untergebracht. Als trotzdem der Platz für die vielen nach Landeshut gebrachten Verwundeten nicht mehr ausreichte, mußten sogar einige Gasthäuser requiriert werden. Aber auch die Landeshuter sahen nicht untätig zu. In über 500 Privatquartieren fanden Verletzte beider Seiten Aufnahme und Verpflegung.
Insgesamt konnten so 1600 Verwundete dauerhaft und 6000-8000 durchziehende leichter Verletzte  wenigstens für eine Nacht untergebracht und versorgt werden. Für 57 österreichische und 42 preußische Soldaten war Landeshut die letzte Station ihres irdischen Weges. Sie sind am Kirchberge zur letzten Ruhe gebettet worden. Noch heute bewahrt dort ein steinerner Obelisk  ihr Andenken.
Wenn Sie, liebe Leser, das nächste Mal – sei es im Gedanken, sei es während eines Besuches in Landeshut selbst -  die Stadt durchwandern, dann verweilen Sie auch ein paar Minuten an jenem Orte, der uns an die unruhigen Tage des Jahres 1866 erinnert.

Lic. theol. Dirk Carolus Metzig

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